Der Anfang
Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Sinn geben. – Wilhelm von Humboldt
Diesem Zitat stimme ich zu. Was wäre die Welt, wenn der Kontakt zu anderen fehlen würde?
Reden, Lachen, Streiten, Weinen. In Gedanken sich gegenseitig die Haare ausreißen. Einen Moment Verbundenheit leben. Füreinander da sein. Gemeinsames wachsen und Abschied zu lernen. Die Brücken die wir im Außen bauen, führen uns ein stückweit näher zu uns. Tragen zum Wertesystem mit bei.
Erste zarte Bände
Aktuell beobachte ich unserer Tochter dabei, wie sie Freundschaften schließt. Im Kindergarten ergeben sich die Kontakte, welche nicht durch Mama und Papa und deren „arangierte“ Treffen innerhalb der Familie und Bekanntenkreis entstehen. Eine Kindergärtnerin, unterstützt das Begegnen mit dem neuen Spielgefährten. Da die Auswahl, an möglichen Kameraden größer ist, wie im heimeligen Umfeld, fällt die Entscheidung, wer in Zukunft die Pferde mit ihr stiehlt aus dem eigenen Impuls her raus. Ich denke, was Kinder uns da vorleben, ist dass sie beim ersten Kennenlernen, instinktiv auf den Bauch hören. Äußerlichkeiten haben dabei keine Rolle. Sie spüren wer „matcht“. Ein „Hallo, komm lass uns spielen“ reicht. Auf ins neue Abenteuer. Sie erfährt dadurch selbständiger, was es bedeutet, wenn man sagt „Wollen wir Freunde sein?“.
Der fliegende Drache, der das Miauen lernte
Mein Herz tanzt, sehe ich mit welch Fantasie unsere Kleine und ihre Freunde Geschichten erfinden. Dabei juchzen, gäbe es kein Morgen mehr. Couchkissen verwandeln sich zu Ritterburgen, Kätzchen krabbeln miauend im Gänsemarsch durchs Kinderzimmer, mit einer Taschenlampe und Büchern bewaffnet, kichernd unter eine Decke auf eine Expedition ins Höhlenabenteuer.
In solchen Momenten sehe ich meine eigene Kindheit und Lebensfreude. Spüre, dass in mir dieses Kinderherz schlägt. Erinnern wir uns nicht alle gerne an diese Zeit, wo es außer den richtigen Kameraden an unserer Seite, nichts mehr brauchte zum Glück?
Mit einem treuen Weggefährten war kein Berg zu steil. Mit festen Griff an den Händen, gegenseitig durch die schwierigsten Momente helfend, blieb niemand zurück.
Mit dem Herzen sehen
Nicht desto trotz ist ein Freund, nicht an jeder Straßenecke zu finden. Wie echt diese Freundschaft ist, zeigte sich mir in der Kindheit, wenn sich Freundinnen schützend vor mich stellten, war ein Anderer im Begriff mir körperlich „frech“ zu werden. Es war für manche Kinder im Umfeld unverständlich, was es mit diesem fehlenden rechten Unterarm auf sich hatte.
Aus mangelnder Aufklärung durch die Eltern folgte Verunsicherung. Der einzige Kanal dafür waren verbale Beleidigungen oder Handgreiflichkeiten. Ich hatte mir über die Jahre ein dickes Fell angelegt. Meiner besten Freundin wuchs dieser Pelz nicht. Sie verletzte dieses Verhalten. Ihre zwei Köpfen Größenunterschied hinterließen Eindruck. Untermalt von den „Brügel“ welche sie lauthals androhte, griff vermeintlicher „Gegner“ mit seinen Händen lieber zu seinen Füßen, um im Anschluss wie dicke Freunde ein gemeinsames Eis vom Dorfkiosk zu genießen.
Rückblickend habe ich in dieser Zeit eine meiner schönsten Lektion gelernt.
Wie sich beste Freundinnen in Schwestern verwandeln.
Zwerge und Riesen
Genossen habe ich sie, diese Zeit zu zweit. Einem Duo folgte ein Trio, bald ein Quartett. Zwischen größeren Schuhen und dem ersten Kuss mit einem Jungen verloren wir uns zeitweise aus den Augen. Im Herzen miteinander verbunden. Bereit sich neuen Aufgaben zu stellen und Abenteuer zu erleben. War ein voneinander Loslassen unumgänglich. Andere Menschen traten ins Leben, brachten Impulse und begleiteten mit ihrem Einfluss unseren Weg. Nicht desto Trotz, war sie da. Im Altersheim, wo ich mich von meiner toten Oma verabschiedete. War die Trauzeugin bei der Hochzeit.
Mit dem Eintritt ins Teenagerleben veränderte sich die Art, wie ich in eine Freundschaft rutsche.
Bei einer meiner schönsten und längsten Beziehung war der Startschuss dafür ein Streit um die Gunst eines Jungen. Dank dieses Burschen, der zur selben Zeit zwei Liebesbeziehungen führte, sind wir uns begegnet. Er erhielt damit die Erlaubnis, in die Wüste zu verschwinden. Wir lachen heute darüber. Uns ist klar, was für ein Geschenk sein Verhalten für uns war.
Echte Freunde und „So tun als ob“
In meinen drei Singlejahren begegnete mir unterschiedliche Freundschaften. Bis zu diesem Augenblick war mir fremd, dass es Menschen gibt, die einen von einen auf den anderen Tag vergessen haben. Kennt ihr das Gefühl, welches sich in der Magengegend bemerkbar macht und die Gedanken die sich um das letzte Gespräch kreisen. Selbstzweifel die einen quälen und die ständig hochkommende Frage: Was war falsch an meinem Verhalten?
Heute kenne ich den Fachausdruck dafür, das nennt man „Ghosting“.
Daran hatte ich lange zu knabbern. Dieses Benehmen passt, nach meiner Wahrnehmung, nicht zum Weltbild von einem fairen Miteinander auf Augenhöhe. Es gibt Einstellungen, die verändern sich nie! Erkannt habe ich, es gewährt sich mir dadurch einen Einblick in den Charakter des Anderen, wie er sich mir gegenüber verhält. Seine Welt, in der dieser lebt. Nicht über meine.
Ein Glück war, dass je mehr ich diese Erfahrung erlebte, umso klarer zeigte sich, wer im ausgewählten Kreis der wahren Freunde ein Zuhause für sich gefunden hatte. Wie meine Weltenbummlerin. Wir liebten es, gemeinsam zu sporteln. Unsere sonntags Joggingrunde war deswegen legendär, da wir dort einen Ort fanden, wo sich aus Freiern Herzen über das Leben philosophieren lies. Dies schuf eine Basis,
die die ein oder andere Krise überstand. Mittlerweile rennen wir zwei Mütter zwar eher den Kindern hinterher, dafür sind die Gesprächsthemen nie langweilig.
Zeitgleich zum Ende der single Jahre, führte ein Kompliment zu einem Date. Es handeltet sich dabei nicht um meinen zukünftigen Ehemann, sondern um eine Frau. Sie arbeitete in einem Cafe in der Fußgängerzone. Da ich dort regelmäßig Kaffee trank, kamen wir ins Gespräch. Anfänglich war ich der Auffassung, sie besuchte den Tisch zum Plaudern zwecks der Begleitung, die mich im Schlepptau hatte. Das klärte sich auf, in dem sie mir offenbarte, dass sie sich gern treffen würde. Sie fände, ich hätte eine herzliche Art. Beim ersten gemeinsamen Abendessen, stellten wir sofort fest, dass zwischen uns ist Wellenlänge pur. Wie es der Zufall mit sich brachte, waren unsere beider Lebensgefährten beruflich unter der Woche nie da. Wir hatten dadurch die Gelegenheit erhalten, die neu entstehende Freundschaft in kurzer Zeit auf ein Level von gefühlten 20 Jahren zu bringen. Ich bin dankbar, dass sie mir durch diese gemeinsame Freizeit ans Herz wuchs.
Hallo, wer bist du denn?
Der Umzug von der alten Heimat Garmisch ins neue Zuhause Stuttgart, veränderte mein Umfeld für erste komplett.
Bei den Erlebnissen ohne Begleitung in der unbekannten Umgebung begegnete mir eine engste Vertraute neu. Sie gab mir Sicherheit, wenn ich fernab von Freunden und Vergangenheit Heimweh hatte. War bei mir, wie ich das Zuhause erkundete und neue Menschen kennenlernte. Bei der Geburt unsere Tochter war sie die Stimme im Kopf, die mich neben der Hand meines Ehemannes durch den Schmerz führte. Sie ruft sich mir ins Gedächtnis zurück, wenn ich sie vergesse.
Sie war ab dem Moment des ersten Atemzuges bei mir. Der Kompass, das Licht in der Dunkelheit.
Durch den Abschied von meiner gewohnten Umgebung erhielt ich eine weitere Möglichkeit, zu erkennen, wie sehr ich sie liebe.
Ihr begegnet ihr hier in den Bildern und Texten. Denn dort drücke ich sie künstlerisch aus. Teile sie, zeige mich. Darum ist es mir ein Anliegen, bei der Kunst ich zu sein und niemanden zu kopieren. Euch durch meine Augen und Fingerabdruck authentisch zu fotografieren.
Die Bilder, welche ihr beim Lesen ebenfalls seht, entstanden bei Suzi und Sarah`s Freundschaftsshooting im Herbst 2022. Ein Danke an diese beiden, für das gemeinsame Lachen und den die Momente zusammen.
Fortsetzung folgt
Eure Eva
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